Masters WM in Japan - aus Sicht eines Teilnehmers
World Masters Swimming Championships in Fukuoka!
Endlich Fukuoka, endlich Japan!
2 Jahre nach dem eigentlichen Termin in 2021 hat sich Japan auch wieder geöffnet, nach pandemiebedingter Abschottung vom Rest der Welt.
Frankfurt – Tokyo mit Japan Airlines, eine schöne Einstimmung auf das Land.
Am Flughafen in Narita habe ich den vorgebuchten Railpass für die Zugfahrten abgeholt und eine Suica-Card erworben.
Die Suica Card -auch bekannt unter diversen anderen Namen je nach Anbieter und Region - ist eine aufladbare Zahlungskarte, mit der Tickets des öffentlichen Nahverkehrs, aber auch Restaurantbesuche und Einkäufe im Supermarkt oder an einem der zahlreichen Automaten beglichen werden können.
Ungemein praktisch, da man sonst wahrscheinlich in Unmengen von Kleingeld ertrinken würde.
Die rund 1200 Kilometer lange Fahrt mit dem Shinkansen nach Fukuoka begann pünktlich und endete etwas mehr als 5 Stunden später pünktlich am Bahnhof Hakata in Fukuoka.
Google gibt hier für eine Fahrt mit dem Auto eine Fahrtzeit von 25 Stunden an, keine wirkliche Alternative.
Man kommt natürlich nicht umhin, immer mit Deutschland zu vergleichen: die Deutsche Bahn gibt für die knapp 800 Kilometer von Hamburg nach München eine Fahrtzeit von gut 6 Stunden an – Pünktlichkeit nicht ausgeschlossen,
aber denkbar.
Dabei kostet die Fahrt in Japan dann unabhängig vom Zeitpunkt der Buchung ca. 140 Euro, vergleichbar mit dem
Preis für einen Inlandsflug.
Anders als die Deutsche Bahn fährt die Shinkansenflotte auf eigenen Trassen, hält nicht oft und gibt ab Verlassen des Bahnhofes direkt Gas. Das führt zu einer deutlich höheren Durchschnittsgeschwindigkeit, die Züge fahren zum Teil im Abstand von nur wenigen Minuten.
Eine Vielzahl von Maßnahmen führt weiterhin dazu, dass die Aufenthalte an den Bahnhöfen kurz sind und es schnell weitergeht.
Angaben wie „Wagen fahren in umgekehrter Reihenfolge“ oder „ es fehlt Wagen 12“ hört man hier nicht, die
Wagen halten exakt am vorgesehenen Platz. Die Züge sind breiter ( 5 statt 4 Plätze), aber flacher und sehr windschnittig. Für
großes Gepäck muss man in eigenen Bereichen sitzen bzw. reservieren, und rund 60% der Sitzplätze benötigen eine Reservierung.
Schaffner sieht man eher selten, denn ohne entsprechendes Ticket kommt man gar nicht erst auf den Bahnsteig.
Fährt man weiter, als das Ticket zulässt, muss man beim Verlassen des Bahnhofes nachzahlen, sonst kommt man nicht raus.
Den Fuji konnte ich auf der Fahrt in Wolken teilweise sehen, ansonsten führte die Fahrt vorbei an Reisfeldern und durch dicht besiedeltes Gebiet.
Japan ist zu 80% gebirgig, daher wird jeder Quadratmeter genutzt. Kleine Autos kennt man aus Japan, viele
Häuser sind ebenso klein. Die trendigen „tiny Houses“ müssen hier erfunden worden sein.
Fukuoka ist mit gut 1.6 Millionen Einwohnern die sechstgrößte Stadt in Japan, wirkte aber auf mich auch im Innenstadtbereich eher beschaulich und ruhig.
Ein Grund ist sicherlich, dass man in vielen Städten ein Auto erst kaufen darf, wenn man einen Parkplatz dafür nachweisen kann. Dazu ist Parken an oder auf der Straße meist verboten und ist auf Parkplätzen dann auch entsprechend teuer.
Nun aber zur WM :)
Es gab viele Diskussionen hinsichtlich der Pools und der Transportmöglichkeiten dorthin, einer möglichen
„Athlete’s Village“ wie in Gwangju und Kazan und den unterschiedlichen Austragungsorten.
Nun, vor Ort hat es alles irgendwie geklappt, auch wenn es schön gewesen wäre, mal einen Blick auf die anderen Disziplinen Wasserball, Synchronschwimmen oder Turmspringen zu werfen.
Dies war allerdings aufgrund der Entfernungen zu den anderen Veranstaltungsorten ( bis zu 200 km)
kaum möglich.
Auch die Geschlechtertrennung bei der Hallenbelegung und damit auch die Teamtrennung war sicher keine ideale Lösung.
Nicht ausreichende Trainingsmöglichkeiten und zu kleine Umkleidebereiche rundeten dann das Bild ab, dass Fukuoka
nicht der ideale Austragungsort war.
Die Freiwasserwettbewerbe waren bei fast 28 Grad Wassertemperatur bei deutlich über 30Grad Lufttemperatur eine besondere Herausforderung, zum Glück gab es vor und nach dem Wettbewerb eine kalte Dusche per Gartenschlauch.
Aber letztendlich kommen wir doch auch - zumindest für mich gilt das - zu diesen Veranstaltungen zusammen, um alte Bekannte wiederzusehen und neue Freundschaften zu schließen. Da spielen solche Umstände, die ja dann letztendlich auch alle Teilnehmer gleichermaßen treffen, eigentlich eine untergeordnete Rolle, auch wenn man sich natürlich immer optimale Gegebenheiten wünscht.
Die Gastgeber geben sich sicherlich immer alle Mühe, die Veranstaltung für alle Teilnehmer zu einem schönen und
erfolgreichen Ereignis zu machen.
Überraschend für mich war die große Anzahl der teilnehmenden Japanerinnen und Japaner und auch das teilweise sehr hohe Niveau, auf dem sie geschwommen sind.
Selbst in Gwangju gleich um die Ecke waren sie ja nicht so zahlreich vertreten, aber im Inland war es jetzt schon fast inflationär.
Aber so bekommt „jeder“ mal die Möglichkeit, an dieser speziellen Veranstaltung teilzunehmen.
Gerade die 50m-Wettbewerbe waren sehr gut besucht, da gab es teilweise mehrere fast rein japanisch besetzteLäufe.
Einschwimmen für 138 Freistilläufe der Männer war selbst mit zwei 50m-Pools nicht ganz einfach, von den Damen will ich da gar nicht reden, die an dem Tag im Nishi-Pool mit nur einem 25m-Einschwimmbecken gestartet sind.
Wettgemacht wurden alle diese Widrigkeiten jedoch durch eine weitgehend perfekte Organisation, einen guten Zeitplan und Gastgeber, die an Freundlichkeit und Hilfsbereitschaft ihresgleichen suchen.
Natürlich gab es vielfach eine Sprachbarriere, aber es waren immer mindestens 2-3 Helfer zur Stelle, mit deren Hilfe man dann auch irgendwie weiterkam.
Ja, es gab zu wenige Veranstaltungs-Souvenirs und zu wenige Essensstände, aber dafür kostenloses Wasser und Yakult-Joghurt für alle.
Und die Servicekultur der Japaner hat zumindest in meinen Augen diese Minuspunkte mehr als ausgeglichen.
Immer ein nettes Lächeln, ein freundliches „Ohayu gozaimasu“ ( Guten Morgen) oder „Konnichiwa“ ( Guten Tag), gefolgt von „Arigato“ ( Vielen Dank) und „Sayonara“ ( Auf Wiedersehen).
Die Kultur ist faszinierend anders, und zumindest das ganze öffentliche Leben ist durchdacht und gut organisiert, überall wird „Service“ groß geschrieben.
Da gibt es im „Kombini“ ( so eine Mischung aus Kiosk und Tante-Emma-Laden) ungefragt eine kleine Serviette oder einen kleinen Löffel zum gekauften Sandwich oder Eisbecher, der behandschuhte Taxifahrer kann automatisch die hintere Autotür öffnen, im Zug und auf öffentlichen Toiletten gibt es „Babyhalter“ ( an die Wand geschraubte, klappbare Sitze für Kleinkinder), und im Shinkansen sind die Toilettensitze beheizt und klappen auf Knopfdruck auf und zu, dazu die üblichen Spielereien wie Bidetfunktion mit Gebläse. Im Zug gibt es abschließbare Kofferfächer und für die Herren echte Urinale, und in der Metro bekomme ich angezeigt, in welchem Wagen ich sitze, in welche Richtung ich beim Ausstieg zu welchem Ausgang komme.
Überall, wo ein Schild zur Erklärung hilfreich wäre, ist auch eins.
Im Restaurant finden sich oft kleine Körbe zum Abstellen von mitgebrachten Taschen, selbst billigste gekaufte Waren werden oft liebevoll eingepackt, auf öffentlichen Toiletten gibt es „Privacy“-Tasten, die die eigenen Geräusche überlagern, und alles ist blitzeblank sauber, ohne Graffiti und perfekt beschildert.
Das japanischen Essen ist Erlebnis und Herausforderung zugleich.
Zwar erleichtern Google Translate und auch zum Teil englischsprachige Speisekarten das Bestellen, aber die Unterscheidung der verschiedenen Essensrichtungen und Gerichte– von Sushi ueber Ramen, Teriyaki, Udon, Soba, Tempura bis hin zu Daifukus und Mochis - und das Wiederfinden in den jeweiligen Restaurants, die dann auch oft auf nur eine oder wenige Zubereitungsformen spezialisiert sind, ist dann doch immer wieder eine Herausforderung.
Viele Restaurants sind sehr klein und haben keine englischsprachige Beschilderung, und die Hausnummern in
den jeweiligen Vierteln werden aufsteigend nach Baujahr des Hauses vergeben, so dass Adressen auch oft schwer zu finden sind.
Generell ist die japanische Küche darauf ausgerichtet, möglichst wenige Gewürze zu verwenden und den Eigengeschmack der möglichst frischen Zutaten herauszustellen. Und da scheint es dann, dass alles Erdenkliche verwendet und kombiniert, was man auch nur ansatzweise essen kann.
Vom bekannten und giftigen Kugelfisch ( Fugu) und fermentierten Sojabohnen ( Natto) bis hin zu über 300 verschiedenen Kitkat-Geschmacksrichtungen ( in den letzten 20 Jahren) und mit Schokolade überzogenen Kartoffelchips ist alles dabei.
Es ist eigentlich nicht verwunderlich, dass man bei uns vor allem Sushi oder Teriyaki kennt, denn viele japanische Gerichte sind für unsere Geschmacksnerven doch zumindest sehr gewöhnungsbedürftig. Wasabi, Ingwer und Sojasauce sind allgegenwärtig, so kann zumindest nachgewürzt werden.
Die Wettbewerbe ließen aber dann doch zwei Tage übrig, um sich das Land ein wenig anzuschauen. Ein Besuch der Memorial Ceremony zum Atombombenabwurf in Hiroshima war geplant, außerdem ein Ausflug in die alte Hauptstadt Kyoto.
Zum Abschluss haben noch zwei Tage in Tokyo die 2-wöchige Reise dann abgerundet.
Die nächste WM in Doha wird uns nach langer Zeit einmal wieder in den arabischen Kulturkreis führen, der sehr für seine
Gastfreundschaft bekannt ist.
Ich bin sehr gespannt, was uns dort erwartet. Zum Glück ist die WM dort kurz vor Beginn des Ramadan beendet, so dass wir keine Einschnitte bei den kulinarischen Genüssen befürchten müssen.
Doha hat etwa die Größe von Düsseldorf, so dass die Sportstätten hoffentlich nicht weit voneinander entfernt ein sollten. Der Aspire Dome ( 1x50m und 1 Springerbecken) und auch das Hamad Aquatic Center ( 2x50m und 2 Springerbecken) bieten schon jetzt gute Voraussetzungen und sind nur ca. 250 Meter voneinander entfernt.
Copyright Text und Fotos: Axel Sondermann